Rolle der Nachrichtendienste

Strategic Intelligence braucht Auftraggeber, die strategisch denken

Die Nachrichtendienste sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Was nicht geht, ist eine Depriorisierung der Sicherheit. Sie brauchen ein zeitgemäßes Instrumentarium für die Zeitenwende.

Zahlreiche Expertinnen und Experten fordern aus diesem Grund Ehrlichkeit bei den Eingriffsrechten und der Zielrichtung dessen, was die Dienste leisten können, können sollen und können dürfen.

Nicht nur das BAMAD verzeichnet ein gestiegenes Hinweisaufkommen und zunehmende Sabotageverdachtsfälle, die gepaart mit Desinformationen schnell die Funktionsfähigkeit, der mit der Sicherheit Deutschlands beauftragten Behörden, in Frage stellen, so Torsten Akmann, Vize-Präsident des BAMAD auf der diesjährigen Nachrichtendienst-Konferenz. Er warnt, die russischen Nachrichtendienste legten es darauf an, Deutschlands militärische Fähigkeiten gezielt nachhaltig zu beeinträchtigen.

Auch in der öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) fordern die Präsidentin des BAMAD und die Präsidenten von BND und BfV Beinfreiheit für die sich zuspitzende Blockkonfrontation. So erhöht Russland nicht nur non-verbal den Druck auf die Baltischen Staaten.

Als größten Feind der demokratischen Rechtsordnung identifizieren Verfassungsschutzkenner jedoch schon seit einigen Jahren den Rechtsextremismus. Hier entwickelt sich überall in Deutschland eine Jugendkultur, die mit Glatze, Springerstiefeln und rechtsradikalen Parolen bestens mit der politischen Szene vernetzt ist.

Aktiver miteinander vernetzt sei auch die islamistische Szene in Deutschland als noch vor Jahren, betont Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter aus dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI). Der Konflikt im Nahen Osten triggere „unmittelbar Konflikte im Inneren Deutschlands“, führte sie aus. Dabei bedienten sich nicht nur der Islamismus, sondern auch der Rechtsextremismus antisemitischer Narrative mit dem Ziel gesellschaftlicher Spaltung. Dagmar Busch, Abteilungsleiterin im Bundeskanzleramt und für die Koordination der Dienste verantwortlich, fasst zusammen, die Nachrichtendienste stünden vor schmerzhaften aber schier unmöglichen Priorisierungsentscheidungen.

Experten werfen der Politik vor, diesen Paradigmenwechsel hin zu einem komplexen sicherheitspolitischen Verständnis zu verschlafen. Die Dienste warnen seit Jahren vor sich zuspitzenden Gefährdungslagen. Aber „die politische Seite muss dies auch annehmen“, appelliert Roderich Kiesewetter (CDU), stellvertretender Vorsitzender des PKGrs. Schlüssel hierfür ist die Erkenntnis, dass die Sicherheitsbehörden technisch, personell und strategisch ertüchtigt werden müssen. Während die Bedrohungslage diametral zunimmt, darf der Verfassungsschutz immer weniger. Begründet durch das Trennungsgebot dürfen die Dienste Straftäter nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln. Die politischen Kräfte, die dies befürworten sind jedoch oft dieselben, die die die Dienste kritisieren, Anschläge nicht rechtzeitig zu verhindern.

Zudem braucht es gesetzliche Grundlagen und passgenaue Instrumente für den Einsatz moderner Technologien. Einzelne Landesämter für Verfassungsschutz können keine moderne Quellen-TKÜ durchführen, weil sie nur analoge Telefonate mitschneiden können. Auch vernetzte technologischen Strukturen im Sinne eines Datenaustauschs sind dringend erforderlich.

Um die Legitimität der Dienste sicherzustellen, gilt es zum einen die Rechtskontrolle als eigenständigen Wert zu stärken. Dazu gehört keinesfalls die Mehrfachkontrolle durch unterschiedliche Gremien, die teilweise das Gleiche prüfen. Allein in Thüringen wird das LfV durch acht Gremien kontrolliert.

Dabei gerät aus dem Blickfeld, dass die Nachrichtendienste auch Auftraggeber benötigen, die strategisch denken. Konkret heißt dies nicht nur fordern, sondern auch fördern. „Besonders hoch springen müssen und dabei eine Fußfessel tragen“, so beschreibt Christoph de Vries (CDU), Mitglied des PKGrs, diese gegenwärtige Situation der deutschen Nachrichtendienste. Er fordert eine andere Rechtsprechung.

Zum anderen ist die politische Seite gefordert, die in der Bevölkerung von formaler Skepsis geprägte Haltung gegenüber den Diensten aufzunehmen und zu kommunizieren, welche Arbeit sie täglich leisten. Alle Dienste hierzulande agieren auf demokratischem und verfassungstreuem Fundament mit dem Ziel, für die Sicherheit Deutschlands zu sorgen. Dazu gehört es, über Erfolge zu sprechen, Handlungsfähigkeit herzustellen und es gilt auch für die Dienste, proaktiv im Rahmen der Möglichkeiten zu kommunizieren. Es gilt, die Funktionsfähigkeit, der Sicherheitsbehörden als resilient vorzuleben.